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Dorothea Brandt im Smalltalk mit Oberbürgermeister Thomas Kufen

Gemeinsam für weniger Nichtschwimmer: Da laut einer Forsa-Umfrage mindestens jeder zweite Grundschüler in Deutschland nicht mehr richtig schwimmen kann, setzen sich die Startgemeinschaft Essen und der Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen für die Schwimmfähigkeit von Kindern ein.

Im Interview am Baldeneysee verrät der Oberbürgermeister wie die Stadt Essen plant, die Zahl der Nichtschwimmer zu reduzieren.

Oberbürgermeister Thomas Kufen im Interview mit Schwimm-Ass Dorothea Brandt

Herr Kufen, vielen Dank, dass Sie sich heute Zeit für uns und unseren Schwimmsport nehmen. An solch einem sonnigen Tag ist es hier am Baldeneysee besonders schön. Sind Sie öfters hier?

Ja, in letzter Zeit sehr oft. Essen ist „Grüne Hauptstadt Europas 2017“, da spielt der Baldeneysee eine große Rolle. Am Freitag bin ich erneut hier um ein Schiff einzuweihen, das komplett CO2-frei fährt.

Seit neuestem können die Essener und ihre Gäste wieder im Baldeneysee schwimmen. Ist dies für Sie eine weitere Attraktion unserer Stadt?

Ja, Essen ist damit auf jeden Fall um eine weitere Attraktion reicher. Das erste Mal seit über 40 Jahren darf wieder legal im Baldeneysee geschwommen werden. Zwar nicht an allen Tagen, da dies stark vom Wetter abhängt, aber dieses Jahr gab es immerhin schon 30 Badetage mit über 7.000 Besuchern. Es wird also sehr gut angenommen und ist sicher für viele Essenerinnen und Essener eine schöne Erinnerung an die Kindheit.

Waren Sie selber schon im Baldeneysee schwimmen?

Nein, bislang habe ich es leider noch nicht geschafft. Bei der Eröffnung im Mai war das Wasser noch zu kalt. Da habe ich Christian Keller vorgeschickt.

Können Sie sich noch erinnern, wann Sie schwimmen gelernt haben?

Oh, das weiß ich gar nicht mehr so genau. Ich weiß nur, dass ich es auf dem klassischen Wege durch die Familie bzw. meine Eltern gelernt habe. Besonders mein Vater hat sehr stark darauf geachtet. Irgendwann sagte er beim Üben „Jetzt lass ich los“ und dann war ich auf mich alleine gestellt. Ich bin Jahrgang 1973 und damals gehörte es zum Bildungsauftrag der Eltern, den Kindern schwimmen beizubringen.

Eine Studie im Auftrag der DLRG besagt, dass mittlerweile jeder zweite Grundschüler in Deutschland nicht mehr richtig schwimmen kann. Daher hat die Stadt im letzten Jahr gemeinsam mit dem Essener Sportbund und der Universität Duisburg-Essen ein Projekt gestartet, um die Schwimmfähigkeit von Kindern zu verbessern. Wie ist hier der aktuelle Stand? Wissen Sie, wie das Angebot angenommen wurde?

Die Sport- und Bäderbetriebe der Stadt Essen haben eine eigene Studie in Auftrag gegeben, die das Schwimmverhalten der Viert- und Fünftklässler untersucht. Im Moment stellen wir fest, dass in diesem Alter 17 % der Kinder nicht richtig schwimmen können. Ergebnis der Studie ist außerdem, dass viel von der Motivation der Eltern abhängt. Und das stellt uns vor große Herausforderungen. Wir haben in Essen 22.000 Flüchtlinge aufgenommen. Auch aus Regionen, in denen Schwimmen nicht Bestandteil der Kultur ist. Wenn Eltern ihren Kindern das Schwimmen nicht vermitteln, kommt es immer wieder zu lebensgefährlichen Situationen. Nicht nur die Schwimmfähigkeit, sondern auch die Fähigkeit zu Retten spielt eine wichtige Rolle. Auch hier gab es einige brenzlige Situationen, in denen nicht nur der Hilfesuchende, sondern auch der Retter sein Leben verloren hat. So etwas darf nicht passieren.

Man ist offiziell erst ein Schwimmer, wenn man 200 Meter am Stück schwimmen kann. Würden Sie das schaffen?

Das schaffe ich. Langsam aber stetig.

Soll das Projekt mit dem Essener Sportbund und der Universität Duisburg-Essen fortgeführt werden?

Wir arbeiten weiterhin eng mit dem Essener Sportbund und der Universität Duisburg-Essen zusammen. Auch die Studie läuft weiter und wir investieren intensiv in unsere Sport-Infrastruktur. Wir haben das neue Sportbad Thurmfeld errichtet und sind derzeit auf der Suche nach einem neuen Platz für das Borbecker Hallenbad. Außerdem möchten wir an der Regattastrecke arbeiten. Das Thema „Schwimmen“ ist in Essen also sehr präsent.

Das stimmt. Wir als Startgemeinschaft Essen bilden in großem Maße Nichschwimmer zu Schwimmern aus. Zum einen wollen wir dazu beitragen, dass Deutschland nicht zu einem Nichtschwimmerland wird. Mit einer gezielten Schwimmausbildung wollen wir zum anderen aber auch die Basis schaffen, Talente zu entdecken und weiterzuentwickeln, damit wir sportlich erfolgreich sind. Wir waren mit vier Schwimmern und Schwimmerinnen in Rio und auch für Olympia in Tokio haben wir mit Poul Zellmann und Damian Wierling wieder zwei hoffnungsvolle Talente. Welchen Stellenwert hat denn für Sie der Schwimmsport in der Stadt Essen?

Das Schwimmen – bzw. der Wassersport allgemein – hat einen sehr hohen Stellenwert in unserer Stadt. Derzeit erweitern wir mit Hilfe von Bundes- und Fördermitteln das Bad in Rüttenscheid. Wir investieren dort in einen neuen Kraftraum. Auch die Sportarten Rudern und Kanu spielen eine wichtige Rolle in Essen. Ich würde schon sagen, dass Essen eine Wasserstadt ist.

Häufig werden, ausgehend vom Sport, Dinge in das Berufsleben transportiert. Gibt es etwas, das Sie Sportlern oder Sportlerinnen aus Ihrem Alltag als Oberbürgermeister mitgeben können?

Sie sollen auf jeden Fall dranbleiben und den Sport weiter ausüben. Ich appelliere auch an die Arbeitgeber, dass Sie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den benötigten Freiraum für sportliche Aktivitäten geben. Wenn man sich umhört, wo Spitzensportler beschäftigt sind, wird oft die Bundeswehr oder die Polizei und nur ganz selten der öffentliche Dienst genannt. Ich bin als „Arbeitgeber Stadt“ also auch gefordert, Sportler stärker zu unterstützen, wenn Sie Interesse an der Arbeit bei uns haben.

Zum Beispiel mit einer guten Ausbildung. Als größter Arbeitgeber in der Stadt haben wir sicherlich auch andere Möglichkeiten als kleinere Betriebe. Für viele Sportler ist es nicht einfach, optimale Trainingsbedingungen zu haben und den Sport mit der Arbeit zu verbinden.

Apropos optimale Trainingsbedingungen: Sie haben einmal angedeutet, die Olympischen Spiele nach Essen bzw. in das Ruhrgebiet zu holen. Wie konkret sind die Pläne?

Es gibt eine große Bewegung, um die Olympischen Spiele an Rhein und Ruhr zu bringen. Nicht nur von der Stadt Essen, aber ich bin mir sicher, dass Essen als eine der größten Städte Deutschlands dabei sein wird, wenn die Spiele im Ruhrgebiet stattfinden. Nach jetzigem Stand allerdings nicht mit der Disziplin Schwimmen, da diese Sportart in der Veltins-Arena in Gelsenkirchen stattfinden soll. Ich habe aber den Eindruck, die Schwimmer sind durchaus angetan von dieser Meldung. Wenn es nach der jetzigen Planung geht, bekommen wir auch tolle Sportarten in unsere Stadt. Wenn eine Trendsportart wie BMX zur Zeche Zollverein kommt, können wir ein ganz anderes Image von Essen präsentieren.

Der Charme der Olympischen Spiele an Rhein und Ruhr ist ja auch, dass keine neuen Sportstätten gebaut werden müssen, sondern dass man auf die vorhandene Infrastruktur zurückgreift. Und für mich als Oberbürgermeister spielt die Infrastruktur natürlich eine wichtige Rolle. Ich habe die Hoffnung, mit den Olympischen Spielen an Rhein und Ruhr die eine oder andere Verkehrsstruktur in der Region, z. B. im Nahverkehr, verbessern zu können. Aber es werden keine teuren Tempel gebaut, die hinterher verfallen, wie man es zum Beispiel in Brasilien oder in anderen Ländern gesehen hat. Ich glaube, das ist ganz wichtig, um die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger zu erhalten.

Wenn Sie Freizeit haben und nicht am Baldeneysee sind, was machen Sie dann?

Ach, ich kann auch mal gar nichts machen und mit der Jogginghose auf der Couch liegen. Da habe ich kein Problem mit. Das geht mir genauso, finde ich sehr sympathisch. Das war dann auch die letzte Frage. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben.